SHG Kreis Borken

Selbsthilfegruppe Schwerhörige im Kreis Borken

Ansprechpartner(in) / Gruppensprecher(in)
Regina Klein-Hitpaß und Ralf Göppert
Telefon: (0 28 52) 96 80 97
Fax: (0 28 52) 96 80 97
E-Mail: hoergeschaedigte@yahoo.de
Internet: www.selbsthilfegruppe-schwerhoerige.de

Gruppentreffen

Bürgerzentrum Biemenhorst (Google Maps)
Willi-Pattberg-Ring 2
46395 Bocholt

Der Eingang des Bürgerzentrums befindet sich zum Innenhof, zentral am Hauptgebäude. Der Veranstaltungsraum befindet sich im 1. OG und ist barrierefrei über einen Aufzug erreichbar.

Termine 2024

Anmeldungen zu diesen Treffen (nicht zwingend, aber hilfreich falls die Veranstaltung verschoben wird) nehmen wir unter E-Mail hoergeschaedigte@yahoo.de entgegen.

15. Februar 2024, 19 Uhr
18. April 2024, 19 Uhr
20. Juni 2024, 19 Uhr
27. Juli 2024 Partnerseminar mit Audiotherapeut Peter Dieler (keine Gruppenstunde / externen Gäste)
15. August 2024, 19 Uhr
17. Oktober 2024, 19 Uhr
19. Dezember 2024, 19 Uhr

Termine 2025

20. Februar 2025, 19 Uhr
17. April 2025, 19 Uhr
12. Juni 2025, 19 Uhr (eine Woche vorverlegt wegen Fronleichnam)
21. August 2025, 19 Uhr
16. Oktober 2025, 19 Uhr
18. Dezember 2025, 19 Uhr

Unsere Selbsthilfegruppe

  • Wir sind eine Gruppe junger und junggebliebener, hörgeschädigter und normal hörender, aufgeschlossener Menschen.
  • Zusammen suchen wir Wege, mit unserer Hörschädigung offensiv umzugehen.
  • Wir wollen als Schwerhörige in einer Gemeinschaft gemeinsam mit Hörenden positiv leben und ebenfalls den Hörenden zeigen, wie sie mit uns erfolgreich kommunizieren können.
  • Wir freuen uns über jeden interessierten Besucher, egal ob gut hörend, schwerhörig, CI-Träger, gehörlos oder ertaubt!

Unsere Ziele

  • mehr Selbstsicherheit gewinnen
  • lernen mit der Behinderung zu leben
  • sich aktiv mit der Lebens- und Arbeitswelt auseinandersetzen
  • Informations- und Erfahrungsaustausch
  • die verbliebenen Kommunikationsmöglichkeiten besser nutzen lernen
  • Erlernen von neuen Kommunikationstechniken
  • mit Spaß und Freude einen Weg aus der Isolation zu finden
  • Öffentlichkeitsarbeit (Veranstaltungen / hörgeschädigten gerechte Vorträge etc.)
  • Ein Ziel der Selbsthilfegruppe ist die Ausstattung von Veranstaltungsräumen mit Induktiven Höranlagen / Induktionsschleifen (T-Spule).

In Bocholt können Sie in folgenden Gebäuden induktive Höranlagen nutzen:

  • Kulturort „Alte Molkerei“, Werther Straße 16 (Im gesamten Veranstaltungsraum ist eine Ringschleife verlegt. Bitte meiden Sie den Bereich um das Mischpult. Bei Veranstaltungen mit E-Gitarren bleibt aus technischen Gründen die Induktive Technik ausgeschaltet.)
  • LWL-Industriemuseum, TextilWerk, Spinnerei, Drosselsaal, Industriestraße 5 (Wird z.B. von der Bühne Pepperoni genutzt. Es können vor Ort bei Veranstaltungen Synexis RP8 – Taschenempfänger (gegen Ausweispfand) kostenlos ausgeliehen werden, welche im gesamten Raum den Ton induktiv übertragen.
  • LernWerk, Industriestraße 1, großer Veranstaltungssaal und Musicalsaal
  • Theatersaal, Berliner Platz 1 ist im Rahmen der Gesamtsanierung des Rathauses Bocholt in Vorbereitung
  • Vereinshaus Liedern (Liederner Saal) im gesamten unteren Bereich
  • Katholische Kirchen (zumeist in den vorderen fünf bis 10 Reihen, teilweise ausgeschildert):
    St.-Georg-Kirche, St.-Georg-Platz 3
    St.-Norbert-Kirche, Norbertplatz 1
    Liebfrauenkirche, Wesemannstraße 2
    St.-Helena-Kirche, Barloer Ringstr. 31
    St.-Paul-Kirche, Breslauer Straße 24
    St.-Bernhard-Kirche, St.-Bernhard-Straße 5
    St.-Ludgerus-Kirche, Terhoffsteddestraße 4
    Maria-Trösterin-Kirche, Am Marienplatz 8
  • Evangelische Kirchen:
    Christuskirche, Münsterstraße 19 (gesamter unterer Kirchenraum)
    Apostelkirche, Biemenhorster Weg 15 (gesamter Kirchenraum)

Pressebeiträge

BBV-Artikel, 22.10.2021 von von Barbara-Ellen Jeschke

Hier finden Schwerhörige im Kreis Borken Unterstützung

Selbsthilfegruppe feiert ihr 25-jähriges Bestehen – Gründerin Klein-Hitpaß berichtet

Bocholt – Die Selbsthilfegruppe Schwerhörige im Kreis Borken feiert am Freitag, 29. Oktober, ihr 25-jähriges Jubiläum. Das BBV hat vorab mit der Gründerin der Gruppe und Betroffenen gesprochen.

Regina Klein-Hitpaß ist seit frühster Kindheit schwerhörig. Vor 25 Jahren gründete die Dingdenerin die Selbsthilfegruppe Schwerhörige im Kreis Borken. Sie selbst suchte nach Austausch. „Ich ging zum Hörgeräte-Akustiker, der machte eine Schublade auf und diese war voll mit Karten. Ich habe mir gedacht: Wo sind all diese Menschen, denen es so geht wie mir?“, erinnert sich Regina Klein-Hitpaß.

Ihr erster Weg führte sie damals zum Schwerhörigen-Verein in Bocholt. Doch dort traf die damals Mitte-30-Jährige nur auf ältere Menschen, die im Alltag vor ganz anderen Herausforderungen und Problemen standen als die junge berufstätige Frau. Und schließlich machte es ebenso einen großen Unterschied, ob man altersbedingt schlecht hört oder schon in jungen Jahren.

Bei der Beratungsstelle für Hörgeschädigte des Kreises Borken in Bocholt fand sie Hilfe und schnell fünf bis sechs Personen, denen es ähnlich ging. Heute kommen zu den Treffen regelmäßig neue Betroffene und die Gruppe besteht aus 25 Personen. Das jüngste Mitglied ist Mitte 20.

„Viele glauben, so etwas wie eine Selbsthilfegruppe brauche ich nicht oder da sind nur Ältere“, sagt Kathrin Winkelmann, ebenfalls Betroffene. Sie habe besonders durch die Gruppe den Umgang mit der Einschränkung gelernt, für sich selbst und in der Kommunikation mit Nicht-Betroffenen. Denn genau diese ist der große Knackpunkt im Leben der Schwerhörigen. Gerade in Gruppen müsse man immer wieder einfordern, dass langsam und deutlich gesprochen werde, dass Blickkontakt gehalten werde. Denn viele nutzen zum Großteil auch das Absehen der Lippen, was durch Corona natürlich deutlich erschwert wurde. So ist der Einkauf auf dem Markt in großer Geräuschkulisse eine besondere Herausforderung.

Barbara Böhm ist seit Beginn der Selbsthilfegruppe mit dabei. Die 80-Jährige empfindet die gemeinsame Kommunikation in der Gruppe als besonders angenehm. „Wir kommunizieren so, dass jeder jeden versteht, ohne dass wir es ständig einfordern müssen, ohne schlechtes Gewissen. Dabei hilft der Gruppe auch technische Unterstützung durch eine FM-Anlage, welche das gesprochene Wort direkt auf das Hörgerät überträgt.

In 25 Jahren ist der technische Fortschritt für die Betroffenen ein enormer Gewinn. Sie alle haben ein Implantat, welches zum Einsatz kommt, wenn ein Hörgerät keinen Nutzen mehr bringt. Auch dieses Thema wird in der Gruppe geteilt. Denn es ist schwer, bei der Krankenkasse die notwendigen Hilfsmittel bewilligt zu bekommen.

„Es ist die Gemeinschaft überhaupt“, sagt Ingrid van Hagen. Im Alltag sei es oft nicht leicht, in der Gruppe erfahre sie Rückhalt und sei mutiger geworden, zu ihrer Einschränkung zu stehen. Für die Betroffenen ist es anstrengend und schwierig, von anderen einen vernünftigen Umgang mit der Schwerhörigkeit einzufordern. Denn Nicht-Betroffene vergessen sehr schnell oder wissen es einfach nicht, wie sie den Betroffenen begegnen sollen. „Es ist eine unsichtbare Einschränkung“, sagt Andrea Gems, ebenfalls Mitglied der Gruppe. Einem Rollstuhlfahrer würde niemand sagen, „geh mal die Treppe rauf“. Doch bei Schwerhörigen ist die Einschränkung nicht offensichtlich präsent. „Viele meinen, wenn sie lauter sprechen, hören wir mehr“, sagt Barbara Böhm. Das Gegenteil sei der Fall, denn die technischen Hilfsmittel verstärken die Töne ja bereits. Wichtig sei es, dass man den Betroffenen ansieht, wenn man mit ihm redet, dass man langsam und deutlich spricht und Geduld hat.

Regina Klein-Hitpaß wünscht sich, dass es in der Zukunft mehr Unterstützung für Schwerhörige gibt. „Zwei Säulen, die technische und die medizinische, sind sehr gut. Die dritte, eine psycho-soziale Säule, fehlt.“ Zu dieser sollten Trainings zum Umgang für sich selbst und in der Kommunikation mit Außenstehenden gehören, findet sie.


Text: Selbsthilfe-Büro Kreis Borken (ehemalig), (Frau Flug-Stenner)

„Ich verstehe dich nicht“, „Hör doch richtig zu, dann verstehst du mich auch“. Nein, hier geht es nicht um den Beginn eines Streites, sondern um Äußerungen, die Menschen mit Hörbehinderungen einen ganz besonderen Inhalt haben. Wenn auch die medizinische Technik in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht hat, Hörgeräte und Implantate sind für die Betroffenen lediglich Hilfsmittel, die das schlechte Hören verbessern, aber keinesfalls beseitigen können. Das Wahrnehmen, Erkennen und Einordnen von Geräuschen bleibt für die Betroffenen immer eingeschränkt. Aber entsprechende Rücksichtnahme von Hörenden erfolgt häufig nicht, denn den Betroffenen ist ihre Behinderung nicht auf den ersten Blick an zu merken. „Niemand würde einen Rollstuhlfahrer auffordern, aus eigenen Kräften eine Treppe zu überwinden. Aber wenn ich einer lebhaften Gesprächsrunde nicht lückenlos folgen kann, werde ich schnell als stur, unhöflich oder sogar als dumm eingestuft“, beschreibt eine stark Schwerhörige ihren Frust.
Die Folge für viele Menschen mit Hörschäden: Sie ziehen sich aus dem öffentlichen Leben zurück, weil sie sich von ihrer Umgebung nicht verstanden fühlen, obwohl sie eigentlich ihre Umgebung oft nicht verstehen können. Mangelndes Selbstwertgefühl, soziale Isolation, sogar psychische Störungen können drohen.
Um diesem Teufelskreis zu entgehen, finden sich Hörbehinderte zum gegenseitigen Erfahrungs- und Informationsaustausch in Selbsthilfegruppen zusammen. Eine solche Gruppe gibt es seit gut zehn Jahren in Bocholt. Deren Mitglieder treffen sich regelmäßig und empfinden diese Zusammenkünfte als wichtig und wertvoll. „Hier ist ein Kreis, in dem jeder die Sorgen und Probleme des Anderen sofort verstehen und nachempfinden kann. Hier muss ich keine langen Erklärungen abgeben, sondern bekomme bei jedem Anliegen Hilfe und Unterstützung“; erläutert ein Teilnehmer.
Eine weitere Gemeinsamkeit der Bocholter Gruppe: Sie bedauert das mangelnde Interesse anderer Betroffener an diesem Austausch. „Immer wieder kommen Schwerhörige und Ertaubte auf uns zu um Informationen zu erfragen. Wenn ihr Wissensdurst gestillt ist, sehen wir sie nicht mehr wieder. Sie sind dann über technische Fragen gut informiert, bleiben aber allein mit ihren Problemen und Sorgen“, so Regina Klein-Hitpaß, Ansprechpartnerin der Selbsthilfegruppe. „Wenn wir unsere Erfahrungen weitergeben, wie und warum uns die Gruppentreffen geholfen haben, ist das eine wichtige Unterstützung für die Betroffenen“.
Daher lädt die Selbsthilfegruppe für Menschen mit Hörschäden Betroffene aus Bocholt und Umgebung zu ihrem Treffen ein, um über die Arbeit, Ziele und Wirkungsweise zu informieren.


BBV-Artikel, 10.8.2017 von Daniela Hartmann

Die unsichtbare Behinderung
Jana Nienhaus und Nina Lüttfrenk sind fast taub / Mitmenschen sollten geduldig sein

Bocholt/Rhede – Jana Nienhaus (24) aus Bocholt und Nina Lüttfrenk (26) aus Rhede sind fast taub. Nienhaus hat eine Hörfähigkeit von drei Prozent, Lüttfrenk von fünf Prozent. Im Rahmen der Inklusionsserie schildern sie, welche Probleme sie im Alltag haben und was ihre Mitmenschen für sie tun können.

Als Jana Nienhaus mit vier Jahren ihr erstes Hörgerät bekam, war sie mit den vielen Geräuschen, die sie plötzlich hören konnte, überfordert. „Ich wollte das Hörgerät am liebsten ins Planschbecken werfen“, erinnert sich die Bocholterin.
Der Weg zu ihrer Diagnose war nicht ganz einfach. Im Alter von dreieinhalb Jahren gingen ihre Eltern mit ihr zu einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Der befand jedoch, dass sie hören könne. Erst im HNO-Zentrum der Uniklinik Münster fanden die Ärzte dann heraus, dass Nienhaus auf beiden Ohren nur etwa drei Prozent Hörfähigkeit hat. Schließlich bekam sie ihr erstes Hörgerät. In Holtwick ging sie in den Regelkindergarten, wo sie aber noch extra gefördert wurde. „Ein bis zwei Mal pro Woche kam ein Logopäde zu uns nach Hause, um mit mir die Sprache aufzubauen“, berichtet die Bocholterin.
In Wesel besuchte Nienhaus dann eine Grundschule für gehörlose und taube Kinder. Hier lernte sie Nina Lüttfrenk kennen. „An der Schule wurde in kleineren Gruppen gearbeitet. Es gab dicke Wände, eine Akustikdecke und Teppich, um den Schall zu dämpfen“, sagt Lüttfrenk.
Als die Rhederin zwei Jahre alt war, fanden die Ärzte heraus, dass ihre Hörkraft an Taubheit grenzt. „Meine Mutter hat immer nach mir gerufen und sich gewundert, warum ich nicht reagiert habe“, erzählt die heute 26-Jährige. Ein Arzt habe bei ihr einen Hirntumor vermutet, schließlich stellte sich aber heraus, dass sie fast nichts hört. Da sich ihre Hörfähigkeit weiter verschlechterte, bekam sie mit zwölf Jahren ein Cochlea-Implantat (CI). Diese elektronische Hörprothese besteht aus zwei Teilen. Es gibt ein Implantat, das per Operation hinter dem Ohr eingesetzt wird. Zusätzlich gibt es einen Sprachprozessor mit Sendespule, der hinter der Ohrmuschel getragen wird.
Nienhaus und Lüttfrenk besuchten später eine Hauptschule für Taube und Gehörlose in Essen. Die Schüler absolvierten fünf Praktika. „Die sind gut, um mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben“, sagt Nienhaus. Sie arbeitet inzwischen als Tischlerin in der Schreinerei der Stadt. Lüttfrenk ist technische Zeichnerin bei Siemens. Außerdem engagiert sie sich im Schwerbehindertenbetriebsrat.
Ärgerlich finden die beiden Frauen, dass sie für die Hilfsmittel Zuzahlungen leisten müssen. Nienhaus ist zwar begeistert von ihrem neuen Hörgerät, weil sie den Bass, die Höhen und die Tiefen einstellen kann. Das hat aber seinen Preis. 4500 Euro kostet es. Sie musste 2500 Euro selbst bezahlen. Hinzu kämen weitere Kosten, zum Beispiel für die Batterien, die regelmäßig getauscht werden müssen. Zwar gebe es Kassengeräte, aber die hätten oft nur wenige Einstellungsmöglichkeiten und könnten weniger Geräusche herausfiltern.
Ihre Hörbehinderung falle den meisten zunächst nicht auf, sagt Nienhaus: „Die Ohren sind unsichtbar.“ Viele Menschen seien dann aber unsicher, wie sie mit ihr umgehen sollen. „Wir brauchen viel Zeit und Geduld“, sagt Lüttfrenk. „Außerdem sind wir auf Gesichter fixiert, damit wir von den Lippen ablesen können“, ergänzt Nienhaus. Wichtig sei, dass die Leute langsam sprechen.
Telefonieren ist für Nienhaus und Lüttfrenk anstrengend, weil sie nicht von den Lippen ablesen können. Auch zu viele Hintergrundgeräusche sind für sie anstrengend. Nach der Arbeit ist Nienhaus schon mal froh, wenn sie das Hörgerät rausnehmen kann. „Es ist schön, einfach mal nichts zu hören“, sagt sie und lacht.


Bocholter Report, Sonderbeilage „Lust auf Leben“ (pdf) von Gabi Frentzen, Mai 2016


BBV-Artikel, 15.5.2009 von Renate Witteler

Schwerhörige und Ertaubte leiden oft unter Vorurteilen, die daraus entstehen, dass niemand weiß, dass sie behindert sind. In einer Selbsthilfegruppe finden sie Zuspruch, Unterstützung und Infos, die anderswo schwer zu bekommen sind.

Das Wort von der „versteckten Behinderung“ macht die Runde. „Hörgeschädigte werden nicht akzeptiert“, sagt Angelika Keiten Schmitz (45). „Es ist einfacher, eine Behinderung zu haben, die jeder sieht.“ Regina Klein-Hitpaß (46) stimmt ihr zu: „Ich muss ständig sagen: Ich bin hörgeschädigt, bitte schauen Sie mich beim Sprechen an!“ Immer wieder mal komme es vor, dass sie etwas nicht höre. Dann heiße es schnell: „Boh, hast Du eine lange Leitung!“ Ingrid van Hagen (60) hat noch Schlimmeres erlebt. „Arbeitsmäßig ist mir meine Hörschädigung oft zum Verhängnis geworden“, sagt sie. „Da wurde mir vorgeworfen: Das eine hast du auch gehört, warum dies nicht? Du wolltest wohl nicht!“ Zur Strafe habe ihr Chef ihr den „Telefondienst“ aufgetragen, wodurch sie vor lauter Angst, etwas nicht oder falsch zu hören, Albträume bekam. In der Bocholter Selbsthilfegruppe für Schwerhörige und Ertaubte fanden die drei Frauen Zuspruch und Unterstützung.

Niemand sieht einem Hörgeschädigten seine Behinderung an, was zu vielen Vorurteilen führt. „Mich hat man als stur bezeichnet, weil ich nicht reagiert habe“, berichtet Keiten Schmitz. „Man hat schnell den Ruf weg, dämlich zu sein“, sagt van Hagen. Das Gefühl, ausgeschlossen zu werden, stelle sich ein. Viele, besonders junge Menschen, schämten sich, schwerhörig zu sein und „mogelten sich durch“, sagt Keiten Schmitz. „Man lacht, wenn alle lachen. Man sagt ,ja, ja?, hat aber nicht verstanden. Man spielt was vor.“ Sie habe oft von den Lippen abgelesen, aber wenn es zu dunkel sei oder die Leute sich umdrehten, gehe das nicht. Deshalb sei es wichtig, sich zu seiner Hörschädigung zu bekennen. Infos seien oft schwer zu bekommen. Am ehesten seien sie über Betroffene zu erhalten.

Über das Cochlea-Implantat (CI) zum Beispiel können Keiten Schmitz und Klein-Hitpaß, bei denen normale Hörgeräte nicht mehr halfen, viel erzählen. Beide waren „bis an die Taubheitsgrenze hörgeschädigt“. Nur Vokale bekamen sie mit, aber nichts im Tieftonbereich. „Mutter und Butter lässt sich da nicht unterscheiden“, sagt Keiten Schmitz. „Und das ist nur ein ganz einfaches Beispiel mit zwei Silben.“ Durch das CI, eine Hörprothese für Betroffene, deren Hörnerv noch funktioniert, könne sie nun „elektronisch hören“.

Unheimliches Glück hätten sie gehabt, berichten die beiden Frauen. Denn bei ihnen habe das CI nicht nur zu der üblichen Hörverbesserung von 20 Prozent geführt. „Bei mir war das eine Steigerung von 0 auf 100“, berichtet Klein-Hitpaß, und Keiten Schmitz sagt, sie höre nun 80 bis 90 Prozent. Wie ein neues Leben sei das. „Meine Kinder waren ganz irritiert, als ich sie nicht mehr anguckte, wenn sie etwas sagten.“ Das erste Mal Verkehrsfunk hören oder zu merken, dass im Fernsehen selbst das Einschenken von Wasser in ein Glas zu hören ist, sei fantastisch gewesen. Oder das Erlebnis, mit 44 Jahren einen Arzttermin per Telefon auszumachen, sagt Klein-Hitpaß. „Aber man muss daran arbeiten.“ Bei jedem sei der Lernprozess anders. Die einen hörten zunächst blechern, die anderen hörten Mickey-Mouse- oder Roboter-Stimmen. „Man muss lernen, damit umzugehen.“


Jubiläumsfeier 25 Jahre Selbsthilfegruppe Schwerhörige im Kreis Borken

Am Freitag, 29. Oktober 2021 durfte unsere Selbsthilfegruppe in Bocholt im großen und festlichen Rahmen ihr 25jähriges Jubiläum feiern. Nach einer Begrüßung durch die Gruppengründerin Regina Klein-Hitpaß und der Ehrung von Mitgliedern die seit Gründung zur Gruppe gehören sprach der Bürgermeister Thomas Kerkhoff ein Grußwort. Er betonte die Wichtigkeit des Zivilgesellschaftlichen Engagements und wies gleichzeitig darauf hin, dass die Belange von Menschen mit Behinderungen in der Kommunalpolitik und Stadtverwaltung eine deutliche Aufwertung erhalten haben.

Im Anschluss des Grußwortes gratulierte Frau Melanie Goreta von der Selbsthilfekontaktstelle Borken/ Coesfeld herzlich zum 25-jährigen Jubiläum. Es gäbe im Bereich des Kreises Borken schon das eine oder andere Jubiläum in der Selbsthilfe, das eine SHG schon über 25 Jahre besteht sei eine besondere Leistung. Sie berichtete kurz von der Selbsthilfekontaktstelle Borken/ Coesfeld über die Bedeutung der Selbsthilfe und die Unterstützungsmöglichkeiten durch die Selbsthilfekontaktstelle.

Als geladene Gäste konnten noch die Mitarbeiterin des IFD Kreis Borken, Fachbereich Hören, Frau Heike Kerkhoff und Frau Jennifer Moers von der Beratungsstelle für Hörgeschädigte in Bocholt, PariSozial Münsterland begrüßt werden. Als Vertreterin vom Cochlea Implantat Verband NRW e.V. erschien Frau Bärbel Kebschull und überbrachte die besten Glückwünsche. Natürlich nahmen auch Mitglieder anderer Selbsthilfegruppen für Menschen mit Hörbehinderung an der Feier teil.

Heike Bagus, Leiterin des CI Centrum Ruhr referierte über die Zusammenarbeit von Technikern und CI-Trägern / Trägerinnen. In der anschließenden Pause gab es eine lebhafte Diskussion über verschiedenste Themen. Kommunikationstrainer Jochen Müller tauchte nach der Pause mit uns in die besondere Bedeutung der Selbsthilfegruppen von Menschen mit Hörverlust ein. „Die Selbsthilfegruppe – der einzige Ort der Selbsthilfe für
Menschen mit Hörverlust!“, bevor die Jubiläumsfeier mit einem gemeinsamen Abendessen ausklang.

Vielen Dank an die AOK Nordwest für die finanzielle Unterstützung der Jubiläumsfeier.

Jubiläumsrede von Ralf Göppert „Selbsthilfe im Jahr 2021“

Sehr geehrter Bürgermeister Kerkhoff, sehr geehrte Gäste, liebe Gruppenmitglieder,

ich freue mich, dass Sie heute so zahlreich gekommen sind um mit uns das 25jährige Jubiläum der Gruppe zu feiern. Es gibt nur wenige Selbsthilfegruppen die so lange bestehen. In vielen Vereinen und Gruppen fehlen Mitglieder und der demografische Wandel macht sich bemerkbar.
Einige Gruppen bestehen ausschließlich aus älteren Menschen. Woran liegt dies – was machen wir anders?
An einem einladenden Café und Kuchenbüffet, das gibt es zum Gruppentreffen nicht. Tolle eigene Flyer und Broschüren können wir auch nicht anbieten.
In unserer Selbsthilfegruppe steht neben dem Gedanken, dass wir uns gemeinsam selbst helfen mit den täglichen Problemen, welche die Hörschädigung mit sich bringt, besser umgehen zu können, auch der soziale Austausch und Zusammenhalt im Vordergrund. Natürlich informieren wir uns gegenseitig über technische Neuerungen bei Hörgeräten, Cochleaimplantaten und Hilfsmitteln.
Wesentlich für das Wohlfühlen in der Gruppe ist, dass jeder sich mit seinem persönlichen Hörstatus angenommen fühlt.
Bei den Gruppentreffen kommunizieren wir mit Hilfe einer sogenannten Induktiven Höranlage, welche die Sprache am Mikrofon direkt in die Hörgeräte / Cochleaimplantate überträgt. Nebengeräusche werden eliminiert und die Entfernung zum Sprechenden überbrückt. Unsere Gruppentreffen, die alle 2 Monate stattfinden sind für uns sozusagen Kurzurlaub vom Hörstress des Alltags.
Darüber hinaus lebt unsere Gruppe aber auch durch gemeinsame Ausflüge, die nicht zwingend etwas mit dem Thema Hören zu tun haben.
Erwähnen möchte ich hier die Besichtigung des Kubaai-Geländes, die politische Bildungsreise zum Bundestagsabgeordneten Johannes Röring nach Berlin und den gegenseitigen Austausch mit einer Gruppe alkoholabhängiger Menschen in Iserlohn.
Da unsere mobile induktive Höranlage immer mitreist, können wir auch mit Hörbehinderung am gesellschaftlichen Leben teilhaben.
Vor 10 Jahren verließ uns die Hoffnung neue Betroffene zu finden. Nur der sogenannte „harte Kern“ saß noch zusammen. Sätze wie: „Es hat doch keinen Sinn mehr“ und „Die Schubladen der Akustiker sind voll, aber zu uns kommt niemand“ sind gefallen.
Mit Hilfe unserer Internetseite www.selbsthilfegruppe-schwerhoerige.de und unserem Schwerpunkt auf das soziale Miteinander, ist es uns bis heute gelungen auf etwa 25-30 Gruppenmitglieder mit gemischter Altersstruktur zu kommen. Darunter und das ist für eine Gruppe schwerhöriger Menschen eher ungewöhnlich, auch junge Menschen unter 30 Jahren, die sich in unserer Gemeinschaft wohl fühlen. So können wir was den Fortbestand angeht, gelassen in die Zukunft schauen.
Jeder bringt sich mit seinen persönlichen Stärken so gut es geht in die Gruppe ein. Es ist das gegenseitiges Geben und Nehmen, was uns auszeichnet.
In den letzten eineinhalb Corona-Jahren ist natürlich auch für uns Schwerhörige die Kommunikation deutlich erschwert worden. Viele von uns sind neben ihren Hörresten auf ein Absehen des Mundes angewiesen. Durch die Maskenpflicht im öffentlichen Leben haben viele von uns zum Beispiel beim Arzt oder im Geschäft nicht mehr verstanden, was gesagt wurde.
Nicht immer haben wir Verständnis dafür erhalten, wenn wir den Gegenüber gebeten haben die Maske abzusetzen. Der persönliche Austausch untereinander über den Umgang mit der Pandemie und gelingende Kommunikation trotz Maskenpflicht fehlte uns sehr.
In der Zeit des Lock down war es für die Selbsthilfegruppen nicht erlaubt, sich in Innenräumen zu treffen. Neben einem Spaziergang an der frischen Luft in kleinen Gruppen haben wir unsere Gruppentreffen als Zoom-Meetings abgehalten.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten klappte dies Computertechnisch ganz gut. Etwas schwierig ist die Tonqualität, da auf Grund der Hörgeräte kaum jemand ein Headset mit Kopfhörer nutzen kann. FM-Anlagen für den privaten Gebrauch besitzen die wenigsten. Wünschenswert ist hier, dass diese Zubehörtechnik zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für alle Hörgeräteträger und CI Träger, zur Selbstverständlichkeit wird und die Finanzierung über die Krankenkassen sichergestellt wird.
Seit zwei Jahren bin ich Kommunaler Beauftragter für Menschen mit Behinderungen. Hier bin ich bei allen baulichen Vorhaben der Stadt, soweit die spezifischen Belange der Menschen mit Behinderungen betroffen sind, frühzeitig zu beteiligen. Insbesondere bei öffentlichen Neubaumaßnahmen und baulichen Veränderungen im öffentlichen Bereich gebe ich eine Stellungnahme innerhalb des Bauantragsverfahrens ab. Architekten und Planer suchen mit mir Wege Gebäude barrierefrei zu bauen.
Mir wurde in der Zusammenarbeit einmal mehr bewusst, dass auch Architekten unter barrierefrei zunächst einmal Barrierefreiheit für Menschen im Rollstuhl verstehen. Das Menschen mit einer Hörschädigung oder Sehschädigung völlig andere Bedürfnisse an ein Gebäude haben und ebenfalls das Recht auf Barrierefreiheit haben stellen viele Planer ganz überrascht fest. Sehgeschädigte benötigen klare Kontraste, mit dem Blindenstock tastbare Leitlinien und Aufmerksamkeitsfelder sowie Beschriftungen in Brailleschrift.
Menschen mit Hörschädigung, die sich schon einmal gerne als Schlappohren bezeichnen, sind in Versammlungsräumen auf induktive Höranlagen angewiesen um die Entfernung zum Sprecher zu überbrücken und Nebengeräusche zu unterdrücken.
Da es sich bei der Hörschädigung um eine unsichtbare Behinderung handelt wird die Zahl der Betroffenen unterschätzt.
In Deutschland haben 8,7 Millionen Menschen eine leichte und 5,46 Millionen eine mittlere Schwerhörigkeit. Hinzu kommen 1,12 Millionen hochgradig Schwerhörige und 250.000 ertaubte bzw. gehörlose Menschen. Insbesondere die letzten beiden Gruppen sind auf Induktionsschleifen, Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher genauso angewiesen wie der Rollstuhlfahrer auf einen Aufzug.
Auch normal hörende Menschen profitieren von Räumen in denen Schallschutzdecken und akustisch wirksame Elemente eingebaut worden sind durch eine Verringerung des Hörstresspegels.
Die beiden großen Bauprojekte LernWerk und Rathaussanierung haben ein eigenes Barrierefrei-Konzept und sind auf einem guten Weg. Die Inklusion wird nicht von heute auf morgen über uns kommen, es ist ein weiter und steiniger Weg.
Ich bin froh in der Selbsthilfegruppe wie auch als Behindertenbeauftragter für bauliche Angelegenheiten diesen Weg der gesellschaftlichen Teilhabe mitgestalten zu können.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Ralf Göppert


Sonstige Hilfsangebote:

Cochlea Implantat Selbsthilfegruppe Ruhrgebiet Nord (Kreis Borken stark vertreten; ca. 30 Mitglieder; Treffen am 3. Samstag im Januar, März, Mai, Juli, September und November um 15.30 Uhr im Lukas Zentrum in Raesfeld)

Selbsthilfegruppe für Schwerhörige im Kreis Kleve
Ansprechpartnerin/ Gruppenleitung: Doris Gradischnik, shg-goch@gmx.de
Ort / Zeit: Immer am ersten Donnerstag im Monat, ab 17.30 Uhr in der evangelischen Stiftung M4 am Marktplatz 4 in 47574 Goch (Glasbau neben dem Rathaus)


Beratung für hörbehinderte Menschen im Kreis Borken / Coesfeld

Träger: PariSozial, Gemeinnützige Gesellschaft für paritätische Sozialdienste Münsterland gGmbH

Anders als viele andere Behinderungen ist eine Hörschädigung unsichtbar.
Nicht zuletzt deswegen hat sie tief greifende Konsequenzen für die persönliche Entwicklung der Betroffenen und deren Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teil zu nehmen.
Die Arbeit der Beratungsstelle will als Schnittstelle zwischen der Welt der hörenden und der Welt der Hörgeschädigten dienen.

Allgemeine soziale Beratung

Bietet Rat, Information und Unterstützung bei Problemen:

  • in der Familie
  • in der Erziehung
  • bei der Familienplanung
  • mit Schulen und Kindergärten
  • mit Behörden und Ämtern
  • Hörbehinderungen allgemein
  • Schwerbehindertenausweis
  • Rentenangelegenheiten
  • Beantragung von Hilfen
  • Hilfsmitteln / Kostenklärung
  • Schulden, finanziellen Problemen
  • Vermittlung von Dolmetschern
  • Selbsthilfegruppen / Vereinen
  • Sonstiges

Das Angebot richtet sich an: Betroffene, Angehörige, Familien, Kontaktpersonen in Ämtern, Schulen, Krankenhäusern sowie Interessierte

Ute Pillmann
Systemische Therapeutin
Mobil: 0173 2752728
Fax: 02561 961105
E-Mail: pillmann@parisozial-muensterland.de
https://www.parisozial-muensterland.de/einrichtungen/beratungsstelle-fuer-menschen-hoerbehinderung

Beratung nur mit Termin (Wochentage wegen Schwangerschaftsvertretung unter Vorbehalt)

In Ahaus montags und donnerstags
Marktstraße 16
48683 Ahaus

In Coesfeld dienstags
Süringstraße 40
48653 Coesfeld

Im Büro in Bocholt mittwochs
Kreuzstraße 18-20
46395 Bocholt


Hilfen im Arbeitsleben (Integrationsfachdienst Borken-Coesfeld)

Beratung, Vermittlung, Unterstützung und Begleitung für hörbehinderte Arbeitnehmer, Arbeitgeber, hörbehinderte Arbeitslose

Integrationsfachdienst (IFD) Borken-Coesfeld
(Im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe)
Röntgen Straße 6
46325 Borken
Heike Kerkhoff, Fachberaterin für Menschen mit Hörbehinderung
Telefon: 02861 8029367
Mobil: 0152 37702230
Fax: 02861 8029169
E-Mail: heike.kerkhoff@ifd-westfalen.de
https://www.drkborken.de/angebote/beschaeftigung/integrationsfachdienst.html

Die Beratungsstellen arbeiten selbstverständlich kostenlos, freiwillig, unabhängig und vertraulich.